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Organspende: Was läuft falsch in Deutschland? Lage, Bewertung, Empfehlung.

Vorbemerkung I: Wenn männliche Substantive benutzt werden, die auch, sachlich-medizinisch, durch alle anderen möglichen Geschlechter ersetzt werden könnten, so sind alle anderen, möglichen Geschlechter inhaltlich mitgedacht, mitgemeint, aber nicht mitgeschrieben, um das Lesen zu erleichtern.

Vorbemerkung II: Alle Worte/ Sätze in rot stellen links/ Verweise dar und führen zu Quellen, Hintergründen, Zusammenhängen usw.

 

 

SACHSTAND (September 2023)

In Deutschland sterben jedes Jahr ca. 1.000 Patienten auf der Warteliste für eine Organspende.

Am 31.12.2022 warteten 8.826 Menschen auf ein Organ, davon warteten:

6.683 auf eine Niere,

841 auf eine Leber,

699 auf ein Herz,

286 auf Lunge(n)

317 auf eine Bauchspeicheldrüse.

(DSO-Jahresbericht 2022, Seite 11)

 

Es kann jeden treffen. Jederzeit.

Im Jahre 2022 starben ca. 1.024.000 Menschen in Deutschland. Von diesen wurden letztendlich 869 postmortale Organspender, dies sind knapp 0,085 Prozent aller Gestorbenen. Jeder Organspender spendet statistisch ca. 3,2 Organe, sodass ca. 2.800 Patienten jährlich die Warteliste verlassen; zusätzlich verlassen ca. 1.000 Patienten die Warteliste, weil sie versterben; darüber hinaus verlassen knapp 1.000 Patienten jährlich die Warteliste, weil sie nicht mehr transplantabel sind, weil die oft jahrelange Dialyse oder der Zustand ihres Herzens/ ihrer Leber usw. sie zu krank für ein Organempfangen gemacht hat.

 

Gleichzeitig kamen 2022 ca, 4.651 Menschen neu (wenige davon erneut) auf die Warteliste für eine Organspende. (DSO-Jahresbericht 2022, Seite 10). Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit für Sie, liebe Leser, irgendwann selbst ein Organ zu benötigen, ca. 5 mal so hoch ist wie Wahrscheinlichkeit, ein postmortaler Organspender zu werden. 

 

Die Warteliste umfasst seit vielen Jahren zwischen 8.500 und 10.000 Wartende, alle sind betroffen.  Junge und Alte, Kinder, Väter, Mütter, Enkel, Omas, Kraftfahrer, Manager, Beamte und Arbeitslose. 

 

Die Wartezeit auf eine Niere beträgt in Deutschland mittlerweile ca. 9 Jahre, auf eine Leber ca. 1,3 Jahre, auf ein Herz ca. 2,4 Jahre, auf Lungen ca. 1,2 Jahre. Nur um Ihre Neugier aufrecht zu erhalten: Die Wartezeit auf eine Niere in Spanien beträgt ca. 1 Jahr, in Österreich ca. 2 Jahre. Dazu später mehr. Leider hängt alles mit allem zusammen und wir können nicht alle Zusammenhänge in einem (Ab)Satz darstellen.

 

Für alle, die auf Herz, Leber, Lungen oder Bauchspeicheldrüse warten, heißt es entweder rechtzeitig eine Organspende zu erhalten oder zu sterben. Und: „alle“, bedeutet: Dies könnte morgen auch Ihr Angehöriger sein!

Für Menschen mit Nierenversagen gibt es eine dauerhafte Ersatzlösung: die Dialyse. In Deutschland benötigen ca. 100.000 Menschen (> 0,12% der Bevölkerung) diese Form der Nierenersatztherapie. Nierenversagen bedeutet im Wesentlichen: 3 x in der Woche für jeweils fünf Stunden an eine Dialysemaschine ¹ angeschlossen zu werden, die das Blut von Giftstoffen reinigt und den Körper entwässert, denn Menschen mit Nierenversagen würden sich ohne Entgiftung selbst vergiften und können auch nicht mehr „pinkeln“. Sie dürfen fast nichts trinken und viele „gesunde Lebensmittel“ gar nicht oder nur in kleinsten Mengen essen (z.B. Obst, Gemüse, Vollwertprodukte). 

 

Informationen zu den Kosten der Dialysebehandling finden Sie am Ende des Artikels.

 

Wer kann überhaupt Organe spenden?
Es gibt Lebendspenden und postmortale Spenden. 

Das Deutsche Transplantationsgesetz (TPG) trat 1997 in Kraft und regelt u.A. die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen (und Gewebe), die nach dem Tod oder zu Lebzeiten gespendet werden.

 

Lebendspenden: Von bestimmten Verwandten ersten Grades, Ehepartnern oder besten Freunden kann eine Niere oder ein Leberlappen gespendet werden. Alle anderen Organe werden postmortal gespendet.

Diese Form der Organspende ist nicht Teil dieses Artikels und des zu beschriebenen Problems, da sich Spender und Empfänger in der Regel selbst „finden“, zumindest dann, wenn alle Beteiligten sehr gut beraten und aufgeklärt sind; allerdings gibt es auch im Bereich Lebendspende im Vergleich mit Nachbarländern einen erheblichen Verbesserungsbedarf. 

Die meisten Fraktionen des Bundestages planen ab/ für 2024 eine Erleichterung bei der Lebendspende, Details sind noch nicht bekannt.

 

Was bedeutet „postmortale Spende“ in Deutschland?
Eine postmortale Organspende ist bei verunfallten oder sehr kranken Patienten möglich, die einen unumkehrbaren Hirnfunktionsausfall (Ausfall des Klein-, Groß- und Stammhirns, früher „Hirntod“) erlitten haben, wie oben geschrieben, dies waren in 2022 nur 869 von über 1.024.000 Verstorben.

 

Dieser unumkehrbare, vollständige Hirnfunktionsausfall wird von zwei speziell qualifizierten Ärzten, unabhängig voneinander, aufgrund eines sehr detaillierten Protokolls (Definition durch Bundesärztekammer) zwei Mal innerhalb von 24 Stunden festgestellt.

Diese Feststellung kann ausschließlich auf einer Intensivstation erfolgen, weder an einem Unfallort noch auf einer Normalstation eines Krankenhauses.

 

Damit diese Person zum Organspender wird, muss diese Person zu Lebzeiten einen Organspendeausweis ausgefüllt haben und/ oder ihre Angehörigen entsprechend informiert haben und/ oder eine entsprechende Patientenverfügung hinterlegt haben. Die Angehörigen können und sollen im Fall des unumkehrbaren Hirnfunktionsausfalls den mutmaßlichen Willen des Hirntoten bezogen auf eine Organspende gegenüber den Ärzten erklären, d.h. ohne Vorliegen eines Organspendeausweises können auch die Angehörigen einer Organspende zustimmen oder diese verweigern. In der Regel akzeptieren die Angehörigen den Willen des Hirntoten.

 

Für die Angehörigen bedeutet das: im ungünstigsten Moment, nach Erhalt der traurigsten aller möglichen Nachrichten, eine der schwersten möglichen Entscheidungen zu treffen.

Dieser Weg der Zustimmung ist im deutschen TPG  als „erweiterte Zustimmungslösung“ definiert. Der Wunsch dieser Menschen, als Hirntoter Organspender sein zu wollen, wird in Deutschland im Zusammenwirken von Krankenhäusern, Transplantationszentren und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) umgesetzt.

 

Was sind die Gründe für die o.g. langen Wartezeiten auf eine Organspende in Deutschland?
Es gibt einen Wert, der die Organspendebereitschaft einer Bevölkerung beschreibt: die Anzahl der Organspender pro 1 Million Einwohner. Der Wert für Deutschland ist über die Jahre immer weiter gesunken und liegt in Deutschland für 2022 bei 10,3.

Zum Vergleich Zahlen für 2022: In Spanien lag dieser Wert bei 46, in Belgien bei 29,4, in Österreich bei 25,2, in den USA bei 44.

 

Diese unglaublich niedrige Spenderzahl hat fatale Folgen für die Menschen auf der Warteliste und ihre Angehörigen: Sie warten bei uns im Durchschnitt ca. neun Jahre auf eine Niere, in Österreich hingegen nur gut 12-18 Monate, in Spanien sogar nur zwölf Monate!

 

Aus welchen Gründen gibt es diese Unterschiede bei den Wartezeiten? Alle genannten Länder sind vom medizinischen Standard mit Deutschland vergleichbar. Nun, vergleichen wir den europäischen Tabellenführer Spanien mit dem Tabellenletzten Deutschland: Es gibt zwei wesentliche Unterschiede zwischen Spanien und Deutschland das Transplantationswesen betreffend:

 

  1. 1) Spanien hat mit der Gründung der Organización Nacional des Trasplantes (ONT) sein Transplantationswesen zentralisiert und verstaatlicht.
  2. Die ONT untersteht dem Gesundheitsministerium und ist für die Spendererkennung, Spenderbehandlung, Gesprächsführung mit den Angehörigen und der Organisation aller für die Organspende relevanten Abläufe zuständig. In Spanien führt man die hohe Zahl der Organspenden insbesondere auf den Einsatz hauptamtlicher Transplantationskoordinatoren zurück. Dies sind speziell geschulte Intensivmediziner, die die Aufgabe haben, potenzielle Spender in den Krankenhäusern zu identifizieren und Gespräche mit den Angehörigen zu führen.
  3.  
  4. 2) In Spanien gilt die sog. Widerspruchsregelung, d.h., jeder ist dort automatisch Organspender, außer er/ sie widerspricht ausdrücklich durch Eintrag in einem Register. (In einigen Ländern gibt es auch „Anti-Organspendeausweise“, d.h. es gibt kein nationales Register, nur der mitgeführte Ausweis gibt Hinweise darauf, dass jemand kein Organspender sein will.)

 

Zu 1) Spanien/ ONT:
Schauen wir zunächst auf die Transplantationskoordinatoren, die es in Deutschland in den Entnahmekrankenhäusern auch gibt, in Deutschland heißen sie Transplantationsbeauftragte.² In der Realität haben sie etliche andere Aufgaben, zusätzlich sollen sie sich halt darum kümmern, potenzielle Organspender (auf den Intensivstationen der sog. „Entnahmekrankenhäuser) zu identifizieren. Unseres Wissens gibt es keine Kontrolle über die zur Finanzierung der Transplantationsbeauftragten verwendeten Mittel, da ihre Finanzierung pauschal erfolgt.

 

Darüber hinaus ist das Transplantationswesen in Deutschland weder verstaatlicht noch zentralisiert. In Deutschland sind die Entnahmekrankenhäuser in privater, kommunaler und bundesländischer Trägerschaft. Erschwerend kommt hinzu, dass es über das Moralisch-Ethische hinaus so gut wie keinen Anreiz für ein Krankenhaus gibt, potenzielle Organspender zu erkennen. 

 

Hat die unter ²  beschriebene Änderung des TPG irgendetwas Positives, also die Steigerung der Zahl der Organspenden bewirkt?

Nein! (siehe Seite 8 des DSO-Jahresberichts 2022)

 

Zu 2) Widerspruchsregelung:
In mittlerweile fast allen Ländern Europas gilt die Widerspruchsregelung. Nur noch in Deutschland, Rumänien, Dänemark, Griechenland und Litauen gilt die sog. Zustimmungsregelung. Frankreich hat 2017 die Einführung der Widerspruchsregelung beschlossen, die Niederlande haben dies 2018 beschlossen, England 2019, Schottland 2021, die Schweiz 2022. Begründung in allen Fällen: Verringerung der Wartezeiten auf ein Organ.

Übrigens: Österreich hat seit dem 1.1.1995 eine Widerspruchsregister. Mit Stand 1.1.2021 hatten sich 53.483 Personen eingetragen, dies entspricht bei knapp 9 Mio. Einwohner ca. 0,6% (der Bevölkerung). Wir finden dies erwähnenswert, weil sich Österreich und Deutschland soziokulturell wenig unterscheiden und diese geringe Zahl einen guten Hinweis darauf gibt, wie überwältigend gross die passive Zustimmung zur Organspende ist.

 

Im September 2018 hat der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit Unterstützung seines Nachfolgers Prof. Karl Lauterbach die Einführung der Widerspruchsregelung auch für Deutschland angeregt und eine breite gesellschaftliche Diskussion angestoßen. Im Ergebnis führte dies am 16.01.2020 im Bundestag zu einer weiteren Novelle des TPG: „Das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“³.

Lesen Sie hier, aus welchen Gründen auch dieses Gesetz keinerlei Verbesserungen für die Wartepatienten bringen wird.

 

In einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Frühjahr 2022 wissen wir:  84% der Befragten äußern sich positiv zur Organspende, gleichzeitig besitzen nur 39% der Bevölkerung einen Organspendeausweis.

 

Was sind die Gründe?

Es gibt einige:

  1. 1) Die meisten werden wohl ahnen, dass es einen Unterschied gibt zwischen der theoretischen Zustimmung/ dem Wohlwollen gegenüber Organspenden einerseits und der konkreten Umsetzung (dieser theoretischen Zustimmung) in Form des Tragens eines Organspenderausweises. Dazwischen liegt nämlich die konkrete Auseinandersetzen mit dem eigenen (Hirn-)Tod. Nicht wenige haben Angst davor, vorzeitig für tot erklärt zu werden, „um an die Organe ranzukommen“. Darüber hinaus ist den meisten nicht klar, dass sie statistisch ca. 5 mal eher ein Organ benötigen als ein Organspender zu werden.
  2. Die wenigsten wissen um die oben geschilderte Not in den Entnahmekrankenhäusern/ bei den Transplantationsbeauftragten.
    Ganz kurz zum Prozess der Organspende: Wird ein möglicher Spender/ Hirntoter (Definition s.o.) erkannt, müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander, diesen sog. Hirntod feststellen. Ist der Patient Organspender (oder haben nach Befragen seine Angehörigen einer Organspende zugestimmt), werden die Blutgruppe/ Gewebeeigenschaften der Organe der europäischen Stiftung EUROTRANSPLANT in Leiden (NL) gemeldet. Diese entscheidet anhand der „besten Passung“ und der Dringlichkeit, wer auf der Warteliste welches Organ bekommen soll. Angeschlossen an EUROTRANSPLANT sind Deutschland, BeNELux, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. In all diesen Ländern gilt die Widerspruchsregelung, ausser in Deutschland. Spender und Empfänger kommen also nicht immer aus demselben Land. Deutschland ist „Organ-Importland“, d.h. dass Deutschland/ deutsche Politik von der erheblich höheren relativen Zahl der Organspenden in den bei EUROTRANSPLANT angeschlossenen Ländern profitiert, die Widerspruchsregelung dort akzeptiert, jedoch dieselbe den Bürgern in Deutschland vorenthält bzw. für nicht zumutbar erklärt.
  3.  
  4. 2) Bleiben wir bei dem unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod). Aus medizinhistorischer Sicht ist der Hirntod ein Novum, der Organspenden erst möglich macht. Ohne Organspendemöglichkeit würden bei Vorliegen des Hirntodes die herz- und kreislauferhaltenden Maschinen abgeschaltet, sodass dann auch kurzfristig der Herztod eintritt. Der Hirntod wurde diagnostiziert/ definiert, bevor die erste Organtransplantation stattfand. Viele Befürworter der Organspende und der Widerspruchsregelung finden zu Worten wie „Auch wenn der Tod meines Angehörigen so schmerzhaft ist, so kann er/ sie doch durch die Organspende Leben retten.“
    Aus medizinethischer Sicht kann der Hirntod belastend sein für die behandelnden Ärzte und Pfleger, weil sie ab dem Moment der möglichen Organspende die Therapie in Richtung Organerhaltung ändern (müssen). Darüber hinaus sagen Kritiker der Organspende u.a., dass durch die Organspende der Sterbeprozess gestört werde.
  5.  
  6. 3) Im Jahre 2011 gab es in Deutschland in vier Transplantationszentren „Organspendeskandale“. Was war passiert?
    Eins vorweg: in keinem Fall ging es um Bereicherung der Ärzte oder der Kliniken, es ging nicht ums Geld! Es ging darum, dass in einzelnen Transplantationszentren Richtlinienverstöße gegen das TPG festgestellt wurden. Die größte Erschütterung der Organspendebereitschaft kam aus Göttingen: dort wurden einige Patienten, die auf eine lebensrettende Lebertransplantation warteten, von einem Arzt „kränker“ gemacht, dadurch stiegen diese auf der Warteliste weiter nach oben und erhielten wahrscheinlich eher eine Leber als wenn ihre Daten nicht manipuliert worden wären. Ähnliche Vorfälle gab es auch in Berlin, Heidelberg und München. Alle Fälle kamen vor Gericht, alle Ärzte wurden freigesprochen, ein Fall wurde sogar vom BGH bestätigt: ein Tötungs- oder Körperverletzungsvorsatz könne dem Arzt nicht vorgeworfen werden.
    Gleichwohl wurde wegen dieser Vorfälle 2012 das TPG geändert: die Manipulation von Patientendaten kann mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.

 

Was sagen die Religionsgemeinschaften?
Die beiden christlichen Kirchen in Deutschland bezeichnen Organspende als „letzten Akt der Nächstenliebe“. Auch der Islam (mit Ausnahme der wahabitischen Auslegung des Korans) sieht es ebenfalls so.

Was sagt Karl Lauterbach, der aktuelle Bundesgesundheitsminister?
„Wer nicht spenden will, muss vorher ‘Nein’ sagen. Notwendig wäre ein Register, in das man sich eintragen kann, wenn man nicht bereit ist, zu spenden.“ Wir finden seine Aussage richtig, vermissen jedoch politische Führung, ein Gesundheitsminister muss Vorbild sein, der Gesellschaft aufzeigen, was gut für sie ist, er muss Stellung beziehen und die Gesetzesänderung initiieren. Das alles vermissen wir beim Bundesgesundheitsminister.

Empfehlenswert ist ein Register analog zu dem Widerspruchsregister in Frankreich. Dort kann jeder seinen Widerspruch telefonisch, schriftliche (Brief/ Mail) oder im Self-Service abgeben/ ändern/ löschen.

 

Es kann jeden treffen. Jederzeit.

 

Was sagen andere zur Möglichkeit der Widerspruchsregelung?

 

II BEWERTUNG

Es kann jeden treffen. Jederzeit.

Eine verschleppte Grippe, eine plötzlich auftretende Autoimmunerkrankung oder eine Geburt (der Mutter) können zum Organversagen und somit zur Warteliste (oder zum Tod) führen.

Wir verfolgen das Thema Organspendermangel seit ca. 28 Jahren intensiv. Seit 28 Jahren wird von der Politik und anderen Willensbildnern argumentiert, dass wir mehr Aufklärung zu diesem Thema benötigen, damit Menschen sich bereit erklären, im Fall ihres möglichen Hirntodes Organspender zu werden. Wir versuchen, mit diesem Artikel aufzuklären. Gleichzeitig sind in den letzten 28 Jahren die Wartezeiten und damit die Situation für die Betroffenen immer schlechter geworden, sodass wir zu dem Schluss kommen, dem Beispiel von nahezu allen Ländern Europas zu folgen. Das Modell der Aufklärung hat in Deutschland leider komplett versagt. Und glauben Sie uns, es liegt nicht an dem Willen, den Kompetenzen und der zeitlichen Verfügbarkeit von uns Patienten, die wir in Volkshochschulen, Schulen, Firmen, Behörden, Ärztekammern usw. unsere aufklärenden Vorträge halten. Es liegt u.E. am  fehlenden politischen Willen, wirkungsvolle Kampagnen zu starten á la „Gib AIDS keine Chance“.

 

  1. Nur das Zusammenwirken zwischen der
  2.  
  3. ♦ bundesweiten, zu erhöhenden Freistellung der Transplantationskoordinatoren in den Entnahmekrankenhäusern,
  4. ♦ besseren Vergütung für die Krankenhäuser,
  5. ♦ einer Kontrollmöglichkeit über die Verwendung der Finanzierung der Transplantationsbeauftragten und
  6. ♦ Einführung der Widerspruchsregelung durch eine Novellierung des deutschen TPG
  7.  
  8. können eine wesentliche Verkürzung der Wartezeiten auf ein Organ und somit eine Reduzierung von Leid und der Anzahl von ca. drei Toten pro Kalendertag bewirken. Die Kieler Studie von Schulte et al. von 2018 ermittelte, dass in Deutschland die Zahl der Organspenden unter bestimmten Umständen zu verdreifachen wäre.
  9.  
  10. Durch die Widerspruchsregelung kann jede Person, ohne Angabe von Gründen, sicherstellen, dass sie dies nicht wird: durch das Einlegen eines Widerspruchs, idealerweise in einem noch zu schaffenden Register, durch einen Organspendeausweis, durch eine Patientenverfügung, durch die Information der Angehörigen.
  11.  

Was uns sehr wichtig ist: Durch die Widerspruchsmöglichkeit wird niemand in seinen Rechten eingeschränkt. Gleichzeitig wird es immer sehr viele Menschen geben, die sich, warum auch immer, für dieses Thema nicht interessieren oder ihre Lücke zwischen theoretischer Zustimmung und Umsetzung durch das Tragen eines Organspenderausweises nicht schliessen können. Diese würden durch die Widerspruchsregelung (im Fall ihres Hirntodes, man kann es nicht oft genug sagen und schreiben) zu potenziellen Organspendern. Wir müssen muss klar sagen: Das ist der große Nutzen der Widerspruchsregelung: daß die o.g. Lücke so viel leichter geschlossen werden könnte.

Uns wäre es natürlich lieber, jeder würde sich zu Lebzeiten entscheiden. Egal, ob dafür oder dagegen. Mit einer Entscheidung erspart man seinen Angehörigen einen großen Konflikt, im Fall des Falles.

 

Entscheiden Sie!

 

Jeder möge sich fragen: Was wünsche ich mir, wenn mein Kind, mein Partner, meine Mutter plötzlich auf ein Herz, eine Leber, eine Niere angewiesen ist? Will ich dann die bestmögliche Behandlung oder akzeptiere ich den nahenden Tod für das Kind, den Partner, den Vater? Und, wenn mein Kind, mein Partner, meine Mutter und ich als Angehöriger die bestmögliche Therapie, also die Transplantation wollen: Wo soll das Organ herkommen, wenn so wenige Menschen Organspender sein wollen oder können. Es geht eben nicht immer und ausschließlich darum, was gegeben oder nicht gegeben werde könnte. Es geht auch darum, dass Ihre Angehörigen auf ein Organ angewiesen sein könnten (Gott möge es verhüten) und weiterleben können sollen.

 

Es gibt kein Recht auf Organspende!

 

Es gibt auch keine Pflicht zur Organspende, weder juristisch noch moralisch, auch bei einer Widerspruchsregelung nicht. Jeder kann widersprechen. Manche halten dies für unzumutbar. Alle Leidenden, ihre Angehörigen und alle anderen Unterstützer halten die Abgabe eines Widerspruchs für zumutbar. Niemand muss sich inhaltlich mit dem Thema/ dem eigenen Tod auseinandersetzen, um zu widersprechen. Wer das Einlegen eines  Widerspruchs ohne Auseinandersetzung mit dem Thema schon als unzumutbar betrachtet, findet bei den Wenigsten dafür Verständnis.

 

Es sollte jedoch das Recht auf die bestmögliche Therapie geben.
Für alle, die dies wollen.

Und es muss das Recht auf Widerspruch gegen Organspende geben.
Für alle, die dies wollen.

Beides ist möglich.


Für die, die nichts wollen, trifft der Staat/ die Gesellschaft die Entscheidung analog zum Erbrecht: Setzt man kein Testament auf, so kommt es zur gesetzlich vorgesehenen Erbfolge. Legen Sie nach Information durch das Gericht (über die Erbschaft) keinen Widerspruch innerhalb sechs Wochen ein, so erben Sie, eventuell auch die Schulden des Erblassers.

Alle Staaten Europas (ausser Deutschland, Dänemark, Rumänien, Griechenland und Litauen) beziehen durch die dort existierende Widerspruchsregelung glasklar Stellung und empfehlen als „vom Staat erwünschte Haltung die „angenommene Zustimmung“ zur Organspende im Fall des Hirntods.

 

Es kann jeden treffen. Jederzeit.

 

III FAZIT/ EMPFEHLUNGEN/ FORDERUNGEN

 

Wir benötigen eines bessere Erkennung der möglichen postmortalen Organspender.

Wir benötigen eine bessere Vergütung der Krankenhäuser im Rahmen der möglichen Feststellung des Hirntods und der möglichen Einholung der Zustimmung der Angehörigen für eine Organspende. 

Das reicht jedoch nie und nimmer.

Wir benötigen die Einführung der Widerspruchsregelung durch eine Änderung des TPG.

 

DIE ORGANSPENDE IN DEUTSCHLAND BRAUCHT EIN NEUES HERZ!

 

 

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Zu den Dialysekosten
Die jährlichen Kosten für einen Dialysepatienten betragen ca. € 54.000, demzufolge die jährlichen Kosten für Dialyse ca. € 5,4 Mrd.
Eine Nierentransplantation kostet ca. € 14.000 bis € 55.000 (je nach Quelle), arithmetisches Mittel ca. € 34.000. Theoretisch könnten also für die ca. 6.600 auf eine Niere Wartenden (per 31.12.2021) bei einer Reduktion der Wartezeit von z.Zt. 9 Jahren auf 1 Jahr (z.B.) Dialysekosten von ca. € 2,85 Mrd. eingespart werden. (6.600 Patienten x € 54.000 Jahresdialysekosten x 8 Jahre).

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¹ Ca. 95% aller Dialysepatienten wählen diese Form der Dialyse (sog. Hämodialyse), ca. 5% der Dialysepatienten wählen die sog. Bauchfell- oder Peritonealdialyse.

 

² Seit 2019 („Zweites Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes (TPG) – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“) gibt es auch in Deutschland Transplantationsbeauftragte in den ca. 1.200 Organ-Entnahmekrankenhäusern, sie müssen sogar freigestellt werden, und zwar pro 10 Intensivbetten in einem Krankenhaus zu 10% (oder 1/10 Planstelle), d.h., dass z.B. in einem Krankenhaus mit 100 Intensivbetten ein Transplantationsbeauftragter in Vollzeit tätig ist (oder zwei zu jeweils 50% usw.) Der Durchschnitt der Intensivbetten pro Krankenhaus in Deutschland  beträgt ca. 14,2 .

(Anzahl Krankenhäuser)

 

³Der Gesetzentwurf für die mögliche Einführung der Widerspruchsregelung, der i.W. von den früheren und jetzigen Bundesgesundheitsministern Spahn und Lauterbach forciert wurde, fand zwar bei den Abgeordneten der CDU/ CSU und SPD im Bundestag eine Mehrheit, nicht jedoch bei den Grünen, der FDP, den Linken und der AfD. Vor allem die Grüne Anna Lena Baerbock und der CSU-Abgeordnete Stefan Pilsinger favorisierten den u.E. völlig unbrauchbaren o.g. Vorschlag. Ein repräsentatives ZDF-Politbarometer vom 17.1.2020 stellte fest, dass auch die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland die Widerspruchsregelung befürwortet.

 

 

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